Evangelisches Dekanat Odenwald

Orgel Bad König

"Fichte höre ich sofort"

Bad König/Lich. Der Platz auf der Empore, auf dem in der Bad Königer Schlosskirche normalerweise die Orgel - auch Königin der Instrumente genannt - thront, ist derzeit leer. Im Januar ist die klingende Monarchin ausgebaut und in die Fachwerkstatt Förster + Nicolaus im oberhessischen Lich gebracht worden. Hier wird sie nicht nur restauriert und nach einer nicht fachgerechten Überarbeitung in den Fünfzigerjahren in mancherlei Hinsicht in einen älteren Zustand zurückversetzt. "Wir werden die Orgel auch ergänzen und in wesentlichen Teilen neu bauen", erklärt Martin Müller, Orgelbaumeister und Inhaber von Förster + Nicolaus.

Eine rund 35-köpfige Delegation aus Bad König war nun der Orgel hinterhergereist, um sich vor Ort über die Arbeiten zu informieren. Die Gäste aus dem Odenwald erlebten gute zwei Stunden eindrücklicher Einblicke in die Arbeit des Orgelbauers - und erfuhren, dass dieser Beruf noch weit mehr ist als ein Handwerk: Umfassendes kunsthistorisches und naturwissenschaftliches Wissen ist unverzichtbar. Und natürlich und ganz besonders: Musikalität. Hier verblüffte Martin Müller etwa mit der Aussage: "Fichte höre ich sofort"; der 65-Jährige kann Orgelpfeifen-Holz an dessen Klang identifizieren. Darüber hinaus schöpft er aus seiner musikalischen Einbildungskraft: Er trägt auch Kirchenräume und Instrumente gleichsam im Kopf - und sicher auch, ein wenig zumindest, im Herzen. So hörte er bereits beim Gedanken an die Bad Königer Orgel und 'ihren' Kirchenraum, welches Register diesem würdevollen Instrument noch fehlt.

Eben das ergänzt er nun und kann sich dabei auf seine eigene akribische historische Forschungsarbeit stützen: Die ältesten Teile des Instruments, einer mainfränkischen Barockorgel, wurden Anfang des achtzehnten Jahrhunderts vom Würzburger Orgelbauer Johann Jost Schleich, der Hauptteil dann 1751 von dem Aschaffenburger Johann Georg Hugo erbaut. In den Fünfzigerjahren des zwanzigsten Jahrhunderts wurde bei Umbauten vieles an der Orgel eingreifend verändert. Martin Müller gelang es nachzuweisen, dass die Orgel ursprünglich wohl aus finanziellen Gründen nie vollendet wurde und was in der Intention ihrer Erbauer Schleich und Hugo gelegen habe. Eben das gelte es nun zu ergänzen und nicht nur die orgelbautechnischen Sünden der Fünfzigerjahre zu tilgen, sondern zugleich das Instrument gewissermaßen fertigzubauen - mit eben den Erkenntnissen und handwerklich-künstlerischen Möglichkeiten der heutigen Zeit. Mit seinen schlüssigen Nachforschungen überzeugte Müller auch die Denkmalpflege, die die Arbeiten fördert.

"Wir müssen die Orgel in der Werkstatt so vorbereiten, dass die Raumverhältnisse mitgedacht sind", erklärte Müller seinen Gästen. Dies bedeutet unter anderem, dass auch die Orgelempore der Schlosskirche mit den vor Ort gegebenen Größenverhältnissen bei Förster und Nicolaus nachgebaut werden musste. Verschiedene Teile werden gar in den Boden integriert werden - "weswegen Sie hier Dinge sehen, die nun für mindestens 200 Jahre verborgen sein werden".
Apropos Raumverhältnisse - erstaunlich, welche Details für den Klang mitverantwortlich sind: Wenn bei der derzeit parallel stattfindenden Innenrenovierung der Bad Königer Kirche ein neuer Putz auf die Wände kommt, so ändere auch dies den seither gewohnten Orgelklang, ließ Müller wissen. Sogar wenn nur der Staub von den Wänden entfernt werde, verändere sich dadurch die Akustik.

Zum Jahresende, vermutlich zu Weihnachten, soll die Königin der Instrumente auf ihren Thron in Bad König zurückgekehrt sein. Gleichzeitig wird Martin Müller nach fast fünf Jahrzehnten in den Ruhestand gehen und seine Orgelbauwerkstatt an seinen Nachfolger Rainer Bingel abgeben. Müller wird dann wegziehen; er müsse dies tun, sagt er. Wer so wie er seiner Werkstatt und seinem Beruf verbunden ist, kann nicht einfach nur aufhören.

 

Bernhard Bergmann
17.7.2023


Startseite  ·   Evangelisches Dekanat Odenwald   ·   Impressum   ·  Datenschutz